Heuerlinge

Bestimmt kennen auch Sie die Redewendung „jemanden anheuern“, also jemanden für eine Arbeit engagieren. Diese Redewendung findet tatsächlich ihren Ursprung im Heuerlingswesen. Auch das Wort Heuer kennen wir als das Gehalt des Seemannes. Heuerlingswesen? Noch nie gehört? Viele kennen diesen Ausdruck nicht mehr, in diesem Artikel gehen wir der Heuer mal auf den Grund. Es ist ein spannender Blick in unsere Vergangenheit und hat Norddeutschland mindestens genauso geprägt wie die Nordsee selber. Die Häuser sind auch in Westfalen bekannt, dort heißt dieses Fachwerk allerdings „Kotten“.

Was ist ein Heuerling?

Als Heuerling wurden arme Knechte und Mägde bezeichnet, die im Dienst eines Bauern standen. Die früheren Bauern konnten es zu echtem Reichtum bringen mit viel Vieh, Ackerland und einigen Gebäuden. Heuerlinge waren im Grunde sehr billige Arbeitskräfte. Sie wohnten zusammen mit dem Vieh in den so genannten Heuerhäusern. Diese waren ähnlich wie Ställe. Dunkel, eng und aus Holzresten u. ä. erbaut. Leider waren sie überhaupt nicht isoliert, da kam es nicht selten im Winter vor, dass diese ärmliche Behausung Eis an den Wänden hatte. Eine kleine kalte Höhle mit wenig Platz zum Leben. Die Heuerlinge wurden als Menschen zweiter Klasse angesehen und wenn der Bauer rief, mussten sie sofort zur Arbeit eilen.

Das Heuerwesen

Gegen Ende des 16 Jahrhunderts breitete sich das Heuerwesen in Deutschland aus. Besonders nach dem 30-jährigen Krieg waren viele Bauernhöfe arg verwüstet und billige Arbeitskräfte händeringend gesucht. Die arme Landbevölkerung machte so um 1770 zwei Drittel der Bevölkerung aus! Die Heuerlinge galten als Menschen zweiter Klasse und hatten kaum Rechte und schon gar nicht eine Stimme. Sie durften in Heuerhäusern wohnen und ein kleines Stück Land vom Bauern bewirtschaften. Zum Leben blieb da nicht viel im Grunde war es ein ständiges Leben am Existenzminimum. Neben den kargen Nahrungsmitteln war es kaum möglich, Dinge wie Kleidung und anderes zu erwerben. Um sich etwas Geld zu verdienen, mussten sie zum Beispiel die Eier der eigenen Hühner verkaufen so dass sie selbst kaum welche zu essen bekamen.

Die Hollandgänger

Eine weitere Geldquelle war die Saisonarbeit. So gingen viele Heuerlinge rüber nach Holland, um dort Arbeiten zu verrichten. Typische Jobs waren dort Spinner, Weber aber auch die harte Arbeit im Moor zum Beispiel als Torfstecher. Im 19. Jahrhundert waren etliche Heuerlinge so verzweifelt, dass sie sich der großen Auswanderung stellten. Die meisten gingen nach Amerika, aber auch Kanada und Australien waren Auswanderungsziele.

Das Ende des Heuerwesens

Diese Jahrhunderte alte Tradition des Heuerwesens hielt sich erstaunlich lange, nämlich bis 1950! Also noch gar nicht so lange her. Der Grund ist relativ simpel. Die Industrialisierung. Maschinen ersetzten die Menschen. Gerade beim Ackerbau machten Traktoren etc. die Handarbeit der Menschen überflüssig. Die Lage der Heuerlinge verbesserte sich trotzdem, einfach durch bessere Arbeit. Die meisten gingen zum Straßenbau oder auch ins Handwerk. Nun blieben diese kleinen ärmlichen Heuerhäuser zurück, die vielerorts als Schandfleck gesehen wurden. Oft machten die Bauern mit der Feuerwehr eine Abmachung. Um diese ungewollten Gebäude loszuwerden, wurden diese zu Brandübungszwecken von der Feuerwehr einfach abgebrannt. Der Begriff dafür ist „warmer Abriss.“

Heuerhäuser neu entdeckt

Ja nicht alle Häuser wurden abgerissen, einige überstanden die Zeit und sind heute unfassbar beliebt. Als Wohnhaus oder Ferienunterkünfte werden die alten Heuerhäuser aufgearbeitet. So dienen sie wieder als Unterkunft. Da trifft moderne Annehmlichkeiten, wie fließend Wasser und Strom auf den Charme und die Geschichte des Heuerhauses.

Das Heuerwesen ist ein wirklich spannender Teil unserer Geschichte.

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