Die Legende vom Geisterschiff vor Emden

Was ist schöner als die ersten Herbstwinde zu hören, während die bunten Blätter langsam von den Bäumen fallen. Mach dir einen schönen Friesentee, mummel dich in eine Decke und erschaudere vor einer alten ostfriesischen Legende.

Das Geisterschiff vor Emden

Einst vor langer, langer Zeit floss die Ems unter den Stadtmauern von Emden. Schiffe von allen Meeren dieser Welt, mit den erstaunlichsten Waren, die es nur in fernen Ländern gab, bevölkerten den Hafen wie Ameisen so zahlreich.

Eines Tages brach ein gewaltiger Sturm aus Nordwest dem Hafen entgegen. Die Nordsee wütete mit hohen Wellen und wuchtiger Gewalt. So geschah es, dass ein bereits in Emden erwartetes Kauffahrtsschiff, welches seit ewiger Zeit auf dem Meer unterwegs gewesen war, in einen scheußlichen Sturm geriet. Die meisten Seemänner waren selbst Emdener Stadtkinder und wurden bereits von ihren Verwandten und Liebsten am Hafen erwartet. Obwohl finstere Nacht konnte man die Laternen des Schiffes bereits sehen und die Rufe der Seeleute hören, nur einen Katzensprung entfernt vom sicheren Hafen. Da hob eine gewaltige Sturmböe an und peitschte die Wassermassen auf das Handelsschiff. Schreie und Raunen erfüllten die warteten Menschen am Hafen, als ihnen bewusst wurde, wie schrecklich der Wind heulte und pfiff gleich eines Dämons, der sich dem Wasser bemächtigte. Gnadenlos wurde das Schiff ergriffen, hochgehoben und wieder niedergedrückt. Angstschreie schlimmster Not wehte von den Seeleuten hinüber zum Hafen. Grässlich wie der Tod selbst.

Die Emder, die von jeher See erprobt sind, hatten ein Rettungsboot, das immer verschlossen im Hafen lag, verwaltet von dem Hafenschließer. Dieser sollte das Rettungsboot schnellstens hergeben, um die Menschen zu retten. Aber er wollte nicht. Dazu muss gesagt werden, dass der Kapitän des Handelsschiffen seit vielen vielen Jahren der schlimmste Erzfeind des Hafenschließers war. Obwohl selbst sein eigener Sohn mit auf dem untergehenden Schiff war, war der Hafenschließer so verhärtet, dass er meinte, dass der Kapitän dieses Schicksal wohl verdient hätte. Sein kaltes Herz war so von Hass erfüllt, dass nicht einmal die Liebe zu seinem Sohn es erweichen konnte.

Als es der Menschenmenge endlich gelungen war, den Hafenschließer zu überwältigen und ihm den Schlüssel abzunehmen, war es bereits zu spät. Das Handelsschiff war so kurz vor dem Hafen mit Mann und Maus versunken. Alle Seeleute fanden in der Nordsee ihr nasses Grab.

Noch heute, wenn ein gewaltiger Sturm die Wellen an den Emder Hafen treibt, in finsterster Nacht zur zwölften Stunde. Kann man die Silhouette des Geisterschiffes in einem bläulich schimmernden Licht erkennen. Wenn man genau hinhört, erkennt man die verzweifelten Schreie der sterbenden Seemänner und das Knarzen des untergehenden Schiffes. Wer das Geisterschiff erblickt, tut gut daran, ein Gebet für die armen Seelen der Ertrunkenen zu sprechen.

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